Ein gutes Mittel, gesunden Menschenverstand zu erlangen, ist ein beständiges Bestreben nach deutlichen Begriffen, und zwar nicht bloß aus Beschreibungen anderer, sondern so viel möglich durch eigenes Anschauen. Man muß die Sachen oft in der Absicht ansehen, etwas daran zu finden, was andere noch nicht gesehen haben; von jedem Wort muß man sich wenigstens einmal eine Erklärung gemacht haben, und keines brauchen, das man nicht versteht.
So Georg Christoph Lichtenberg, das kluge Männchen mit dem Buckel eines Zwerges in einem seiner Sudelbücher – na, dann sudeln wir auch mal.
Souveränität – Begriff, der vom lateinischen superanus = darüber befindlich, überlegen abgeleitet ist, so wie das Wort super, das im Lateinischen oben, auf, darüber bedeutet.
Na, ist doch super! Sind wir also mal oben auf, und denken souverän.
Den Staat als Notwendigkeit gesetzt – und sei es hier nur als Ausgangspunkt für ein paar unfertig bleibende Gedanken: Es gibt immer die da oben, und wenn es nur einen allein gibt, der von sich behauptet, der Souverän zu sein, das alleinige Oberhaupt, dann steht er jedenfalls soweit über den anderen, seinen Kumpanen und Helfershelfern, dass sie ihm diesen Blödsinn durchgehen lassen müssen. Ein Obermacker allein bleibt nicht lange oben, eine Oberschicht muss schon sein, ihn zu tragen. Die Höhergestellten, die, die sich höhergestellt haben, über die anderen, die Vielen.
Es scheint eine in der Menschheitsgeschichte weit verbreitet Vorstellung zu sein, dass es ein Oben und Unten gibt, auch in der Gesellschaft, dass ein Staat dieses Oben und Unten schafft. Hierarchiedenken. Die vertikale Achse. Die Pyramide der Gesellschaftsklassen, deren Anzahl an Mitgliedern nach oben hin immer weniger werden, deren Macht dabei immer weiter anwächst. In der Demokratie geht die Macht vom Volke aus, der Souverän ist das Volk selber – so die demokratische Ideologie. In der Praxis sieht es so aus, dass die wahlberechtigten Staatsbürger alle paar Jahre ihre Vertreter wählen können, sie unter den Leuten auswählen können, die sich, getragen von Parteiapparaten, zur Wahl stellen. Am Wahltag ist das Wahlvolk der Souverän, am Tag darauf schon nicht mehr. Da bemächtigen sich die Mächtigen wieder des Souveräns.
Überträgt man den Begriff der Souveränität, der in seiner ersten Bedeutung die inneren Verhältnisse von Staaten meint, auf die Beziehung von Staaten untereinander, dann heißt dies, in seiner ursprünglichen Wortbedeutung genommen: der Staat ist souverän, der einen anderen Staat unterdrückt, ihn erobert, ihn von sich abhängig gemacht hat, zu einem Vasallenstaat, zu einer Kolonie, zum Bestandteil eines Imperiums, das von einer souveränen Macht beherrscht wird.